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7 Fragen an Lysander Weiß


“New Work” ist ja erstmal ein Sammelbegriff, unter dem neue sozialphilosophische und gesellschaftliche Ansätze genauso verstanden werden wie neue Arbeitsweisen"

Lieber Lysander, Sie sind Top-Berater, erfolgreicher “Anstifter” von Transformation, Strategie-Experte und mit Ihrem Buch “Good Job” Vorreiter im Bereich Neues Arbeiten. Sie müssten es wissen - wo stehen wir auf dem Weg zu New Work wirklich?

Für diese scheinbar einfache Frage gibt es gar keine so einfache Antwort, denn “New Work” ist ja erstmal ein Sammelbegriff, unter dem neue sozialphilosophische und gesellschaftliche Ansätze genauso verstanden werden wie neue Arbeitsweisen oder einzelne Instrumente wie Telearbeit. Wenn wir uns im gegebenen System bewegen, verstehen wir nach unserer Forschung unter New Work neue Arbeitsweisen, die sich aus Veränderungen in verschiedenen Dimensionen wie z.B. Motivation, Führung, Entwicklung oder Selbstmanagement ergeben. Hier lässt sich durchaus beobachten, dass aktuell Veränderungen in der breiteren Masse ankommen: Großunternehmen wie Siemens oder Novartis versprechen Home Office für immer, womit auch neue Führung, Selbstmanagement etc. einhergeht, da es plötzlich um Empowerment und Vertrauen statt Kontrolle geht.

Mal ehrlich, das haben viele schon vor Jahren so gesagt. Was ist nun plötzlich anders?

Die Coronakrise war (und ist) hier sicherlich ein Trigger. Wie in einem groß angelegten Experiment ab es plötzlich neue Arbeitsweisen für alle: Mitarbeitenden mussten sich agil auf eine neue Situation einstellen, von zuhause aus arbeiten, sich dabei stärker selbst managen… und ganz wichtig: die Führungskräfte haben die gleichen Erfahrungen gemacht und oftmals gemerkt: es geht. Wenn Mitarbeitenden nun zwei Monate lang selbst organisiert von zu Hause aus gearbeitet haben, lässt sich für Unternehmen plötzlich schwer argumentieren, warum alles wieder genau sein soll wie vorher. Das gibt es zwar, doch haben eben sowohl viele Unternehmen als auch Mitarbeitende erkannt, dass einige der neuen Arbeitsweisen durchaus Sinn machen: Die Flexibilität spart Kosten und zeit, das Selbstmanagement verschlankt die Organisation, und bestenfalls sind die Mitarbeitenden glücklicher und motivierter, was wiederum der Produktivität zu Gute kommt - spätestens dann, wenn Home office nicht mehr synonym mit Kinderbetreuung ist.

Und warum macht “Purpose” dabei so viel Sinn?

Die neuen Arbeitsweisen brauchen vor Allem Selbstmotivation und Selbstmanagement. Wenn Mitarbeitende aber nun nicht mehr nur Befehlsempfänger sind, müssen sie den Sinn ihrer Aufgaben erkennen können - oder werden sinnlose Aufgaben vielleicht sogar ablehnen, wie wir es in einem Fall in unserem Buch “Good Job!” beschrieben haben. Übrigens ist es dabei natürlich schön, wenn das Unternehmen einen großen, übergeordneten “Purpose” hat, der über reines Geldverdienenen hinaus geht. Wenn wir davon ausgehen, dass die meisten unternehmen Leistungen erbringen, die Kundenbedürfnisse erfüllen, ist dies aber eigentlich schon gegeben. Wichtiger ist daher der angesprochene Sinn in den eigenen Aufgaben: Für die Mitarbeitenden muss erkennbar sein, warum sie eine Aufgabe machen, was sie damit zum “großen Ganzen” beitragen, und wie es mit anderen Aufgaben zusammenpasst.

Mal unter uns, das wollen wir alle. Aber wie geht Arbeiten mit Purpose wirklich? Haben Sie ein Paar Tipps aus Ihrer Erfahrung?

Unserer Erfahrung nach funktioniert es am besten über Transparenz und Empowerment. Praktisch heißt das: ich schaffe (möglichst gemeinsam) relevante, transparente (strategische) Ziele und Kriterien für Entscheidungen im Unternehmen, an denen sich Projekte und Aktivitäten bewerten und ausrichten lassen. Dies können klassische finanzielle Ziele sein, aber auch Dinge wie Nachhaltigkeit, Kundennutzen oder Mitarbeiterzufriedenheit. Wir entwickeln dazu beispielsweise mit unseren Kunden eine agile Strategiematrix. In diesem wortwörtlichen Rahmen kann ich es dann im Sinne des Empowerments nach und nach den Mitarbeitenden überlassen, Entscheidungen über sinnvolle Aufgaben, Aktivitäten und Projekte selber zu treffen. Wir verorten z.B. alle Themen, an denen wir arbeiten jeden Monat auf unserer Strategiematrix, diskutieren die Annahmen dahinter und stellen somit sicher, dass wir alle an sinnvollen Aufgaben arbeiten.

Und was ist Ihre eigene Purpose?

Keine einfache Frage für ein schnelles Interview, ich versuche es gern dennoch in Kürze: Für mich gibt es nicht den einen, übergeordneten Sinn als Ziel, welches ich erreichen will. Vielmehr geht es mir darum, dauerhaft zu lernen, um mein Potenzial und dass meiner Kunden und Kollegen möglichst gut zu entfalten. Wo dies dann genau hinführt - das ist immer wieder eine Überraschung:-)

Wie stellen Sie sicher, dass Sie auf Ihrem Weg bleiben?

Hier gilt sicherlich das Motto “Reflexion statt Reflex”: Ob im Privaten für sich, mit Freunden und Familie, oder im beruflichen mit Kollegen oder Coaches: Es geht für mich darum, immer wieder zu hinterfragen, was ich gerade mache, wie ich es mache, warum ich es mache - und ob das gut so ist. Sich der Dinge bewusst zu werden, die wir tun, ist aus meiner Sicht der wichtigste Schritt, um nicht irgendwann “aufzuwachen” und festzustellen, dass man irgendwo angekommen ist, wo man gar nicht hinwollte. Aus dieser Position heraus kann ich dann auch bewusst neue Richtungen ansteuern oder den Kurs korrigieren - sei es eine neue innere Einstellung, ein neues Interesse, eine neue Aufgabe, ein neues Ziel, oder ein neues Umfeld. 

Ihr Tipp für Studenten in der Zukunft der Arbeit?

Ich spreche immer wieder gern mit Studenten, um sie dazu anzustiften, selbst zu reflektieren und zu hinterfragen, was sie wollen. Gerade Studenten können dies oft noch nicht genau wissen, und lassen sich schnell von der vermeintlichen Sicherheit vorgezeichneter Karrieren verführen, um dann später festzustellen, dass sie vielleicht ganz anders arbeiten wollten. Daher mein Aufruf: Macht den Denkraum auf, sprecht mit Leuten aus ganz verschiedenen Umfeldern, lest über viele verschiedene Themen, arbeitet an Euch selbst und hört Euch zu um herauszufinden, welche Potenziale ihr wie entwickeln wollt - und bringt dies dann mit in die Arbeitswelt, um sie besser zu gestalten! 


Über Lysander Weiß

Buch-Autor "Good Job" und Partner "Venture Idea"


Als Partner der preisgekrönten Unternehmensberatung Venture Idea, Doktorand an der führenden deutschen Wirtschaftshochschule HHL in Leipzig, Bestsellerautor und Keynote-Speaker bietet Lysander Weiss zukunftsweisende Forschung und Beratung zur strategischen Erneuerung in etablierten Unternehmen.

https://www.linkedin.com/in/lysanderweiss/
@derexplorateur
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